Familienrechtspsychologische Begutachtung
Rechtspsychologische Praxis Trier
Christina Komodromos-Scharff
Begutachtung im Kindschaftsrecht
Definition
Ein psychologisches Gutachten dokumentiert ein wissenschaftlich fundiertes Vorgehen und beantwortet eine von einer Auftraggeberin / einem Auftraggeber vorgegebene Fragestellung (oder mehrere Teilfragestellungen). Die Fragestellung betrifft bestimmte Aspekte des Erlebens und Verhaltens von einer Person oder mehreren Personen. Die Fragestellung wird im Rahmen des nachfolgend beschriebenen diagnostischen Prozesses beantwortet. Im Gutachten werden dieser Prozess und die Beantwortung der Fragestellung nachvollziehbar dargestellt. Die im Rahmen der Begutachtung eingesetzten Methoden werden so beschrieben, dass sie nach wissenschaftlich akzeptierten Gütekriterien beurteilt werden können.
Ausgangslage
Sachverständige im Kindschaftsrecht begutachten in der Regel ein Zusammenwirken von mindestens zwei Personen (mindestens einem Elternteil und einem Kind). Es kann auch das weitere Umfeld miteinbezogen werden (außer dem anderen Elternteil z.B. auch Großeltern, Pflegeeltern, Stiefeltern, weitere Verwandte, Jugendamt, Umgangs- und Ergänzungspfleger, Verfahrensbeistand).
Gerichtliche Fragestellungen
Auftraggeber der Rechtspsychologischen Praxis Komodromos-Scharff sind ausschließlich Amts- und Oberlandesgerichte. Das Kindschaftsrecht regelt vielfältige Aspekte, die zu unterschiedlichen Fragestellungen an die Sachverständigen führen. In kindschaftsrechtlichen Verfahren sind vor allem denkbar:
• Fragen zur elterlichen Sorge bei Trennung und Scheidung, § 1671 Abs. 1 BGB, und bei nicht miteinander verheirateten Eltern ohne Sorgerechtserklärung, § 1626a, § 1671 Abs. 2 BGB.
• Fragen des Beziehungserhalts des Kindes zum getrennt lebenden Elternteil (Umgangsregelung), § 1684 BGB.
• Fragen zu Umgangsregelungen mit Beziehungs- und Bindungspersonen des Kindes, § 1685 BGB, sowie zum leiblichen, nicht rechtlichen Vater des Kindes, § 1686a BGB.
• Fragen zu einer Kindeswohlgefährdung (Sorgeentzug der Eltern sowie Herausnahme bzw. Rückführung des Kindes, §§ 1666 f. BGB; Verbleibensanordnung bei Pflegeeltern, § 1632 Abs. 4 BGB). Hier spielen oftmals körperliche oder seelische Misshandlung, sexueller Missbrauch oder Vernachlässigung sowie deren Folgen eine Rolle. Zur Abklärung eines Missbrauchsvorwurfes kann auch eine aussagepsychologische oder rechtsmedizinische Abklärung erforderlich sein.
Kernbestandteil von Begutachtung im kindschaftsrechtlichen Verfahren sind die Erfassung und Beurteilung der familiären Beziehungen und Bindungen, der Ressourcen und Risikofaktoren in der Familie, der Kompetenzen der Eltern/Sorgeberechtigten, ihrer Erziehungsfähigkeit, Kooperationsbereitschaft, Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme, Bindungstoleranz, des Entwicklungsstands, der Bedürfnisse des Kindes, des Kindeswillens, der Kompetenzen und der aktuellen Situation des Kindes, evtl. besonderer Belastungen und Beeinträchtigungen
Hinwirken auf Einvernehmen
Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken, § 156 FamFG. Sachverständige können nach § 163 Abs. 2. FamFG auch mit dem Hinwirken auf Einvernehmen beauftragt werden. Eine entsprechende Anregung kann auch durch den Sachverständigen erfolgen. Dadurch wird der Gutachtenauftrag nicht grundlegend verändert, sondern nur erweitert. Dies ist eine besondere Situation im familiengerichtlichen Bereich, die sich von allen anderen Rechtsbereichen unterscheidet. Dadurch können Sachverständige nicht nur zur Feststellung und Bewertung von Tatsachen, sondern auch zur Intervention beauftragt werden. Ziel und Vorgehen sind dabei mit den Beteiligten abzusprechen.
Quellen:
Arbeitsgruppe Familienrechtliche Gutachten 2015: Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht. Deutscher Psychologen Verlag GmbH, Berlin.
Diagnostik – und Testkuratorium der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. (2017). Qualitätsstandards für psychologische Gutachten